Hier der Text des Interviews (Ausschnitt des Gesamtvideos), übersetzt von H.-J. Müller einem Leser der Nachdenkseiten.de, vielen Dank beiden Organisationen:
Kein Ort kann auf Dauer friedlich bleiben. Auch die USA nicht, ich meine, wir (USA) werden von Kriegen begleitet bzw. betroffen. Europa wird, wie ich vermute, zwar nicht zu den großen Kriegen zurückkehren, aber es wird wieder zum menschlichen Normalfall zurückkehren: es wird seine (ihre) Kriege haben, seine (ihre) Friedenszeiten, und sie (die Europäer) werden ihre Leben leben. Es wird keine 100 Millionen Tote geben, wie im letzten Krieg, aber die Idee von der europäischen Auserwähltheit, wie ich denke, wird dazu beitragen.
Es wird Konflikte in Europa geben, es gab schon Konflikte, in Jugoslawien und jetzt auch in der Ukraine. Europas Beziehungen zu den Vereinigten Staaten – wir haben keine Beziehungen mit „Europa“. Wir haben Beziehungen mit Rumänien, wir haben Beziehungen mit Frankreich, aber es gibt kein „Europa“, mit dem die USA Beziehungen haben.
Der Islam ist ein Problem für die Vereinigten Staaten, aber keine existenzielle Bedrohung. Man muss sich damit befassen, man muss sich damit angemessen befassen. Wir haben andere außenpolitische Interessen. Das Hauptinteresse der US-Außenpolitik während des letzten Jahrhunderts, im Ersten und Zweiten Weltkrieg und im Kalten Krieg waren die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland. Weil vereint sind sie die einzige Macht, die uns bedrohen kann. Unser Hauptinteresse galt sicherzustellen, dass dieser Fall nicht eintritt.
Wenn sie ein Ukrainer sind, werden sie Ausschau danach halten, wer Ihnen als einziger helfen kann – und das sind die Vereinigten Staaten. Letzte Woche, oder etwa vor 10 Tagen war der Oberbefehlshaber der amerikanischen Bodentruppen in Europa General Ben Hodges zu Besuch in der Ukraine. Er kündigte dort an, dass die US-Militärberater in die Ukraine demnächst offiziell kommen sollen. Eigentlich hat er dort die Medaillen an die ukrainischen Kämpfer verteilt, was das militärische US-Protokoll verbietet, dass die Medaillen an Ausländer verliehen werden. Doch er tat das, weil er damit zeigen wollte, dass die ukrainische Armee seine Armee ist. Dann ging er weg. Und die Vereinigten Staaten liefern baltischen Staaten Waffen, Artillerie und andere Militärausrüstung – den baltischen Staaten, Rumänien, Polen und Bulgarien – das ist ein sehr interessanter Punkt. Und gestern haben die Vereinigten Staaten angekündigt, dass sie vorhaben, die Waffen in die Ukraine zu liefern, das wurde dementiert, aber sie tun das, die Waffen werden geliefert. Und bei all diesen Handlungen agieren die Vereinigten Staaten außerhalb der NATO. Weil die NATO Entscheidungen müssen von allen NATO Mitgliedern einstimmig getroffen werden. Der Punkt bei der ganzen Sache ist, dass die USA ein „Cordon Sanitaire“, ein Sicherheitsgürtel um Russland herum aufbauen. Und Russland weiß es.
Russland glaubt, die USA beabsichtigen die Russische Förderation zu zerschlagen. Ich denke, wir wollen sie nicht töten, sondern sie nur etwas verletzen bzw. Schaden zufügen. Jedenfalls sind wir jetzt zurück zum alten Spiel. Und wenn sie einen Polen, Ungarn oder Rumänen fragen, sie leben in einer ganz anderen Welt als die Deutschen, und die Deutschen leben in einer ganz anderen Welt als die Spanier, also herrscht Uneinigkeit in Europa. Aber was die Ukrainer bevorzugen werden, das werde ich Ihnen genau sagen: Sie werden versuchen, das Zischen seitens der USA zu vermeiden.
Die Vereinigten Staaten aus ihrem fundamentalen Interesse kontrollieren alle Ozeane der Welt. Keine andere Macht hat das jemals getan. Aus diesem Grund intervenieren wir weltweit bei den Völkern, aber sie können uns nicht angreifen. Das ist eine schöne Sache. Die Aufrechterhaltung der Kontrolle über die Ozeane und im Weltall begründet unsere Macht. Der beste Weg die feindliche Flotte zu besiegen ist zu verhindern, dass diese gebaut wird. Der Weg, den die Briten gegangen sind, um sicherzustellen, dass keine europäische Macht die Flotte bauen konnte, ist, dass die Europäer einander bekämpften. Die Politik, die ich empfehlen würde, ist die, die Ronald Reagan angewendet hat, im Iran und Irak. Er unterstützte beide Kriegsseiten, sodass sie gegeneinander kämpften (Iran-Irak-Krieg 1980-88) und nicht gegen uns. Es war zynisch, es war nicht moralisch vertretbar, aber es funktionierte.
Und das ist der Punkt: die Vereinigten Staaten sind nicht in der Lage, ganz Eurasien zu okkupieren. In dem Moment, wo unsere Stiefel den Boden berühren, sind wir demographisch zahlenmäßig unterlegen. Wir können eine Armee zerschlagen, aber wir sind nicht in der Lage den Irak zu besetzen. Die Idee, dass 130 000 US Soldaten würden ein Land mit 25 Millionen Menschen okkupieren…Das Verhältnis zwischen der Anzahl der Polizisten und der Einwohner von New York ist größer, als das Verhältnis von US Soldaten und der irakischen Bevölkerung war. Also sind wir nicht in der Lage, überall militärisch zu intervenieren, aber wir sind in der Lage, erstens, die gegeneinander kämfpende Mächte zu unterstützen, damit sie sich auf sich selbst konzentrieren können. Zweitens sie zu unterstützen, politisch, finanziell, militärisch und Waffen liefern und US Berater hinschicken. Und in außerordentlichen Fällen, wie wir in Japan vorgegangen sind, nein auch in Vietnam, im Irak und in Afghanistan mit Präventivschlägen („spoiling attacks“) intervenieren.
Die Taktik der Präventivschläge beabsichtigt nicht den Feind zu besiegen, sondern sie verfolgt das Ziel den Feind aus der Balance zu bringen. Das versuchen wir in jedem Krieg, wie z. B. in Afghanistan, dort brachten wir Al Qaida aus der Balance. Das Problem das wir haben, seid wir so jung und dumm sind, ist, dass wir die Feinde aus der Balance bringen, anstatt zu sagen, „wir haben den Job gut gemacht, lasst uns nach Hause gehen“, sagen wir: „Mann das war aber leicht, lasst uns hier noch eine Demokratie aufbauen“. Das war der Moment unserer Geistesschwäche, von der wir befallen wurden.
Deshalb, die Antwort darauf lautet, die USA können nicht überall in Eurasien militärisch intervenieren. Man muss selektiv intervenieren und möglichst selten. Eine militärische Intervention stellt für uns einen Sonderfall dar, die letzte Möglichkeit, wir können nicht schon im ersten Schritt die US-Truppen aussenden. Aber wenn wir US Truppen ausschicken, dann, und das haben wir aus der Erfahrung schon klar verstanden, muss die Intervention eigeschränkt erfolgen, und nicht gigantische Ausmaße erreichen.
Hoffentlich haben wir das für dieses Mal verstanden, für gewöhnlich dauert es eine Weile, wenn die Kinder im Unterricht lernen. Aber sie haben absolut recht, wir als ein Imperium können das (überall intervenieren) nicht tun. Die Briten haben damals Indien nicht okkupiert, sie haben einfach die einzelnen Staaten Indiens genommen und ließen sie gegeneinander kämpfen. Die Briten haben britische Offiziere bei der indischen Armee installiert. Die alten Römer haben auch keine Truppen in entlegene Regionen außerhalb des römischen Imperiums entsandt, sondern sie haben prorömische Könige dort eingesetzt. Diese Könige wurden durch Rom eingesetzt, die im Dienste für das römische Imperium in anderen Ländern regierten, und diese Könige waren verantwortlich für die Aufrechterhaltung des (prorömischen) Friedens an den Grenzen des Imperiums. So war es z. B. bei dem Parther-Reich. Also Imperien, welche versuchen direkt in okkupierten Gebieten zu regieren, solche Imperien scheitern, wie es mit dem Nazi Imperium der Fall war. Weil niemand hat soviel Macht um direkt zu regieren. Da muss man schon klug vorgehen.
Wie auch immer, unser Problem ist jetzt nicht das, sondern, das bedeutet eigentlich, dass wir ein Imperium als solches sind. Wir sollten aber deswegen nicht denken, dass wir uns entspannen können, nach Hause gehen und uns über nichts mehr sorgen machen. Wir sind erst etwa im dritten Kapitel des Buches.
Die Frage, die jetzt für die Russen auf dem Tisch ist, ob man die Ukraine als eine Pufferzone zwischen Russland und dem Westen haben will, die wenigstens neutral bleiben wird, oder wird der Westen soweit in die Ukraine vordringen, dass der Westen (NATO) nur 100 km von Stalingrad und 500 Km von Moskau entfernt sein wird. Für Russland stellt der Status der Ukraine eine existenzielle Frage dar. Und die Russen können bei dieser Frage nicht einfach so weg gehen, loslassen. Für die USA gilt, wenn Russland sich an der Ukraine weiterhin hängt, werden werden Russland stoppen.
Deshalb starten die USA solche Maßnahmen, wie über sie kürzlich General Hodges, der für Blamagen bekannt ist, gesprochen hat, und zwar über Eingreiftruppen in Rumänien, Bulgarien, Polen und den baltischen Staaten. Damit begründet man das Intermarum („Zwischenmeer-Land“) das Territorium zwischen dem Schwarzen Meer und der Ostsee, diese Konzept arbeitete Pilsudski aus. Und das ist die von der USA bevorzugte Lösung.
Und die Sache auf die wir keine Antwort parat haben, ist die Frage, was wird Deutschland in dieser Situation unternehmen. Die reale unbekannte Variable in Europa sind die Deutschen, wenn die USA diesen Sicherheitsgürtel aufbauen, nicht in der Ukraine, sondern zu dem Westen und der Einfluss der Russen in der Ukraine wird schwinden – wir wissen nicht wie die deutsche Haltung ausfallen wird.
Deutschland befindet sich in einer sehr eigenartigen Lage. Der ehemalige Bundeskanzler G. Schröder ist im Aufsichtsrat von Gazprom. Die Deutschen haben ein sehr komplexes Verhältnis zu den Russen. Die Deutschen wissen selbst nicht was sie tun sollen. Sie müssen ihre Waren exportieren, die Russen können ihnen ihre Waren abnehmen. Andererseits verlieren sie die Freihandelszone, die sie brauchen um andere Sachen aufzubauen. Für die USA ist das Hauptziel, dass russisches Kapital, russische Technologien… ich meine deutsches Kapital und deutsche Technologien und die russischen Rohstoff Ressourcen und die russische Arbeitskraft zu einer einzigartigen Kombination verbinden, die die USA seit einem Jahrhundert zu verhindern versuchen.
Also wie kann man das erreichen, dass diese deutsch-russische Kombination verhindert wird. Die USA ist bereit, mit ihrer Karte diese Kombination zu schlagen: das ist die Linie zwischen dem Baltikum und dem Schwarzen Meer. Für die Russen ist die entscheidende Frage, dass die Ukraine ein neutrales Land wird, kein prowestliches. Weißrussland ist hier eine andere Frage. Nun, wer mir eine Antwort darauf geben kann, was die Deutschen in dieser Situation tun werden, der kann mir auch sagen, wie die nächsten 20 Jahre Geschichte aussehen werden. Aber unglücklicherweise müssen die Deutschen immer wieder eine Entscheidung treffen. Und das ist das ewige Problem Deutschlands. Deutschland ist wirtschaftlich enorm mächtig, aber gleichzeitig geopolitisch sehr zerbrechlich, und sie wissen niemals, wie und wo sie ihre Exporte verkaufen können. Seit 1871 war das immer –„die deutsche Frage“. Und die Frage Europas.
Denken sie über die „deutsche Frage“ nach, welche jetzt wieder mal aufkommt. Das ist die nächste Frage die wir stellen müssen, was wir aber nicht tun, weil wir nicht wissen, was die Deutschen tun werden.